Johann Rosenmüller: Biographische und historische Forschung zu Leben und Werk

Die Badische Zeitung titelte bezogen auf JR: „Ein Komponist ohne Biographie“ - und sie hat damit nicht unrecht. Gemessen an der - zwar dezimierten, doch immer noch reichen - Überlieferung Rosenmüllers Werk und in Anbetracht seiner Wirkung zu seinen Lebzeiten und darüber hinaus, ist die Dürftigkeit der gesicherten biographischen Informationen mehr als überraschend.

Neben Geburtsort und Geburtsjahr (die Forschung geht inzwischen davon aus, das JR 1617 in Ölsnitz/Vogtl. geboren wurde), gibt es einigermaßen Verlässliches fast ausschließlich aus der Leipziger Zeit (1640-1655) zu berichten. Insbesondere aus der Zeit nach seiner Flucht aus Leipzig (ab Mai 1655) bis zu seinem Lebensende sind lediglich Anstellungsverhältnisse und Lehrtätigkeiten (Venedig, Wolfenbüttel) dokumentiert. Aus 30 Lebensjahren ist nur eine einzige Nachricht über den Menschen Rosenmüller überliefert, nämlich, dass er dem Komponisten Briegel ähnlich gesehen haben soll und außerdem im Alter einen jähzornigen Charakter hatte.

Natürlich ist JR nicht der einzige Komponist, über den die Geschichte den Mantel des Vergessens ausgebreitet hat, allerdings ist dies bei einem Tonschöpfer, der an die 300 Werke (möglicherweise sind weitere 200 verloren gegangen) von hoher und höchster Qualität geschaffen hat und noch dazu an bedeutenden musikalischen Zentren gewirkt hat, äußerst ungewöhnlich. Wie kommt das?

Meine These ist, dass die Gründe dafür in der Persönlichkeit/Person JRs liegen müssen, da sie im Werk und dessen Rezeption nicht liegen können. Vor allem zwei Eigenschaften Rosenmüllers (zumal im Verein) könnten m.E. dabei eine Rolle gespielt haben:

1. Es kann heute als gesichert gelten, dass Johann Rosenmüller homosexuell war und vermutlich war dies in seinem direkten Umfeld auch bekannt (der im Raum stehende Päderastie-Vorwurf muss überprüft werden und ist auf Basis der derzeit verfügbaren Informationen m.E. nicht ohne weiteres haltbar, v.a. wenn man weitere Vorgänge in Leipzig in den Jahren 1653-1655 berücksichtigt). Die Homosexualität Rosenmüllers hat - so sie bekannt war/wurde - in bestimmten Kreisen sicher für Unruhe gesorgt, zumal der Komponist eine öffentliche Person und seit 1653 mit der Anwartschaft auf das Thomaskantorat ausgestattet war.

2. JR war mutmaßlich ein eingebildeter und über die Maßen von sich überzeugter Mensch, er hielt wohl sehr große Stücke auf seine Kunst (und wenig von den Schöpfungen anderer). So teilt HORNEFFER (1899) von MEYER (1728) mit, dass Rosenmüller etwa die Werke Hammerschmidts offen und ohne Zurückhaltung diskreditierte, ihn gar einen "Clausulen-Dieb" hieß. Einen weiteren Eindruck seines Naturells erhalten wir durch den Sachverhalt, dass JR 1654 das angebotene Kreuzkantorat in Dresden in Erwartung des Thomaskantorats ablehnte und diese Entscheidung mutmaßlich über Dritte nach Dresden mitteilen ließ

Unter diesen beiden Grundannahmen möchte ich Johann Rosenmüller und sein Umfeld näher untersuchen. Dabei interessiert mich zunächst die schicksalhafte Leipziger Zeit, insbesondere die Jahre zwischen 1650 und 1655.